Nicht alle Hunde zeigen alle Teile dieser Kette. Manche Hunde beginnen die Jagd schon im Haus beim Aufbruch zur Gassirunde. In Gedanken sind sie dann schon bei der Jagd und beginnen sofort mit der Suche nach Wild. Andere Hunde jagen nur, wenn ihnen zufällig Wild vor die Nase läuft oder sie über eine Spur stolpern, aber sie suchen nicht gezielt danach.
Hat der Hund Wild aufgespürt, wird es fixiert, das heißt, in der Regel schaut der Hund in die Richtung, in der sich das Wild befindet. Oft geht auch erstmal die Nase hoch, um den Geruch genauer zu orten. Während der Hund fixiert, erstarrt er kurz.
Der nächste Schritt ist das Anpirschen. Je nach Situation kann das Anpirschen wegfallen, aber bei unbewegtem Wild, schleicht der Hund oft ein paar Schritte bevor er ins Hetzen verfällt. Es folgen Packen -> Töten -> Fressen.
Manche Hunde haben durch Zucht Teile der Kette verloren. Ein Jagdhund, der seine Beute frisst ist für einen Jäger so nutzlos wie für den Hirten ein Hütehund, der die Schafe reißt. Hüten ist also ein klassisches Beispiel dafür, dass ein Teil der Jagd (fixieren -> anpirschen -> reduziertes Hetzen in Form von treiben) vom Menschen für einen ganz anderen Zweck genutzt wird. In der Regel ist es bereits genetisch fixiert, dass die unerwünschten Teile der Verhaltenskette (beim Hütehund packen, töten) nicht mehr gezeigt werden.
Aber: in Privathand befinden sich viele Hunde, bei denen diese genetische Veränderung nicht vorhanden ist. Früher wurden solche Hunde getötet. Dies ist Gott sei Dank nicht mehr der Fall, aber dafür werden "untaugliche" Hunde gerne an Privatbesitzer abgegeben. Das kann der Hütehund mit zu wenig Hütetrieb sein oder der Jagdhund, der nicht jagt, es kann aber auch der Hütehund sein, der beim Hüten ins Hetzen verfällt und Schafe reißt oder der Jagdhund, der am Wild nicht zu kontrollieren ist. Gerbauchshunde, die als "Liebhabertiere" abgegeben werden, sind nicht zwangsläufig einfacher, sie können durchaus auch schwieriger zu trainieren sein, je nachdem, was der Grund für die Untauglichkeit ist.
Wir nutzen beim Antijagdtraining die Möglichkeit, ein bestimmtes Glied der Kette, das Fixieren, zu verstärken und so zu verlängern. Da das Vorstehen bereits Teil der Jagd ist, macht es dem Hund in der Regel Spaß. Wenn ich nun dieses Verhalten einfange, belohne und so verstärke, habe ich außerdem oft den angenehmen Nebeneffekt, dass die Glieder, die auf dieses Verhalten folgen (beim Jagen wäre dies das Hetzen) schwächer werden und eventuell sogar ganz verschwinden.
Das heißt: wenn ich mit meinem Hund erfolgreich das Vorstehen übe, habe ich nicht nur einen Hund, der so lange an Ort und Stelle bleibt, bis ich ihn einsammeln kann, sondern für den im besten Fall die Jagd mit dem Vorstehen beendet ist.
Dieses Training ist sehr zeitaufwändig. Ein Jäger rechnet (wenn er mit positiven Methoden arbeitet und nicht mit Elektroschocks) drei - fünf Jahre, bis ein Hund vollständig am Wild kontrollierbar ist.
Es dauert also, aber es ist auch mit sehr jagdtriebigen Hunden in Privathand möglich.
Allgemein sagt man, dass ein Hund erwachsen werden muss, bevor man sagen kann, wieviel Jagdtrieb der Hund tatsächlich entwickelt. Je nach Rasse ist ein Hund mit drei bis fünf Jahren erwachsen. Bis dahin kann sich also der Jagdtrieb noch verstärken.